Neulich ist eine meiner Mediationen grandios gescheitert und ich habe die Verantwortung dafür nur bei mir gesucht. Ich habe nicht genau genug hingehört, nicht verstanden, das die Beteiligten mir eigentlich vermittelt haben mit ihrer Körpersprache mit ihren Worten; Ich habe zu wenig Erfahrung und konnte deswegen diesen hoch eskalierten Konflikt nicht zu einer Lösung bringen, etc.
All das mag ein Teil des Scheiterns gewesen sein. Aber vielleicht konnte die Mediation auch aus anderen Gründen nicht gelingen, die nicht in mir und meinen Fähigkeiten liegen?
Eines der zentralen Merkmale der Mediation ist die Freiwilligkeit. Das bedeutet, dass alle Beteiligten sich aus freiem Willen auf das Verfahren einlassen – mit der Bereitschaft, gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. Diese Freiwilligkeit sichert die Offenheit und den vertrauensvollen Rahmen, die für eine gelingende Mediation wesentlich sind.
In der Praxis ist es jedoch oft so, dass eine Mediation im Arbeitskontext nicht aus Eigeninitiative der Konfliktparteien entsteht, sondern von der Führungskraft initiiert wird – mit der mehr oder weniger impliziten oder expliziten Erwartung, dass die betroffenen Mitarbeiter:innen teilnehmen. Hier wird die Freiwilligkeit zu einer Grauzone:
Auch wenn die ursprüngliche Motivation zur Teilnahme nicht vollständig freiwillig war, kann eine Mediation dennoch erfolgreich sein – wenn es gelingt, im Verlauf des Prozesses ein eigenes Interesse bei den Beteiligten zu wecken („intrinsische Motivation“). Manchmal entwickelt sich die Freiwilligkeit im Verlauf, wenn die Beteiligten merken, dass sie ernst genommen werden und aktiv an der Lösung mitwirken können.
Es liegt also in meiner Verantwortung als Mediatorin, genau hinzuschauen, ob die Beteiligung tatsächlich freiwillig ist. In der Auftragsklärung sollte hinterfragt werden:
Freiwilligkeit ist eine Grundvoraussetzung für wirksame Mediation – aber im Arbeitskontext wie beschrieben oft relativ. Mediator:innen und Führungskräfte sollten sensibel mit dieser Spannung umgehen. Nur wenn die Beteiligten sich tatsächlich auf Augenhöhe einbringen können, kann Mediation ihr volles Potenzial entfalten.
Die Beteiligten der oben beschriebenen Mediation sind Kolleg:innen, mein Auftraggeber die Führungskraft. Bereits in Einzelgesprächen mit den Beteiligten vor dem ersten gemeinsamen Termin haben mir mehrere Beteiligte mehr oder weniger ausdrücklich mitgeteilt, dass sie keinen Sinn darin sähen, nochmal mit einer Kollegin Gespräche zu führen. Eigentlich sei es eine „Entweder sie geht oder ich“-Situation, die Zeit und die Gelegenheit für Gespräche sei eindeutig verpasst und vorbei.
Die Personen, die sich so geäußert haben, sind offenbar bereits mit einem Fuß aus der Tür des Unternehmens, sie haben nur noch ein wenn überhaupt sehr marginales Eigeninteresse an einer gelungenen Konfliktlösung mit der Kollegin.
Die Entscheidung, den letzten (?) Versuch eines gemeinsamen Gesprächs trotzdem zu wagen, fußte also bereits von Anfang an auf sehr dünnem Eis, das war meinem Auftraggeber, aber auch mir im Grunde bewusst. Wir sind dann gemeinsam eingebrochen, mit Ansage. Aber ich glaube, das muss ich mir nicht vorwerfen.
Titelfoto: https://pixabay.com/de/users/laughingraven-834173/
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